
(atsv/STS) Die Jagdstatistik vermeldet in der Schweiz jährlich rund 1700 Rehkitze, die durch Mähmaschinen ums Leben kommen. Die Dunkelziffer dürfte erheblich höher liegen. Doch man kann junge Rehe vor diesem schrecklichen Tod bewahren.
Im Appenzellerland liegen die meisten Rehkitze zwangsläufig in landwirtschaftlich genutzten Wiesen. Beim Nahen einer Mähmaschine, haben weder sich duckende noch fliehende Rehkitze eine Chance. Sie geraten in das Mähwerk und werden zerstückelt oder schwerstverletzt im Gras liegengelassen. Für alle Beteiligten sind solche Unfälle furchtbar: Das Kitz leidet Qualen und schreit jämmerlich. Die Rehgeiss leidet, weil sie nicht helfen kann und sucht ihr verlorenes Kitz manchmal noch tagelang. Der Landwirt fühlt sich ohnmächtig angesichts der Qual des Tieres, und der Jäger oder Wildhüter hat die undankbare Pflicht, das Rehkitz von seinen Qualen zu erlösen. Vermähte Rehkitze sind aber auch ein hygienisches Problem, denn aus Fleischresten im Schnittgras können Nervengifte entweichen (Botulismus), die zu tödlichen Vergiftungen beim Vieh führen, welches Silofutter frisst.
Inwiefern Rehe überhaupt daran gehindert werden können, sich in Mähwiesen zu verstecken, ist unter Experten umstritten. Eine genaue Kenntnis der problematischen Wiesen und des Rehverhaltens sowie eine enge Kooperation von Landwirten, JägerInnen und ggf. freiwilligen Tier- und NaturschützerInnen ist vonnöten, um gefährdete Gebiete rechtzeitig zu erkennen und entsprechend zu handeln.
Ablauf eines Einsatzes der Rehkitzrettung des Schweizer Tierschutzes STS (Frey Photography)
Keine Chance gegen Mähmaschinen
Dass sich Rehkitze in Wiesen aufhalten, hat seinen Grund: Nach der Geburt suchen sich die Kitze einen Liegeplatz im hohen Gras, wo sie regungslos verharren. Werden sie dennoch entdeckt, verfallen sie in eine Art Starre; erst ab der dritten Woche versuchen sie, sich durch Flucht in Sicherheit zu bringen. Ihr Verhalten macht es Beutegreifern schwer, die jungen Rehe aufzuspüren. Landwirte, die sicher gehen wollen, lassen ihre Wiesen direkt vor Mähbeginn nach Rehkitzen absuchen. Dazu gibt es effiziente Methoden: die Suche mit Menschenketten und Hunden, die Suche mit dem ISA-Wildretter oder auch die Suche per ferngesteuertem Multikopter («Drohne»).
Effektives Verfahren
Bei der Multikopter-Rehkitzrettung fliegt das Fluggerät die zu mähende Wiesen per Autopilot gesteuert ab. Die Bilder werden live auf einen Monitor am Boden übertragen, wo die Kitze aufgrund ihrer Körpertemperatur als helle Flecken in der dunklen Wiese erscheinen. Anschliessend werden die Rehkitze mit einer Kiste auf der Wiese gesichert, die mit Gras beschattet, mit einem Stein beschwert und einem mobilen Zaunpfahl in der hohen Wiese markiert wird.
Rücksicht nehmen auf Bienen
Untersuchungen der Forschungsanstalt Agroscope Tänikon haben ergeben, dass beim Mähen pro Hektar bis zu 24 000 Bienen getötet werden. In Relation zu einer Staatengrösse von rund
30 000 Tieren ist diese Zahl sehr hoch. Bienenverluste können vermieden werden, indem ausserhalb ihrer Flugzeit gemäht wird – also abends, nachts oder am frühen Morgen. Generell gilt: Zählt man
mehr als eine Biene pro Quadratmeter, sollte ein Feld nicht gemäht werden.
Schonend für Tiere und Helfende
Rehkitzrettung ist immer Teamarbeit zwischen Landwirten, Drohnenpiloten und Jägern. Sie entscheiden auch, ob das Kitz in der Kiste an den Waldrand getragen oder auf der Wiese belassen wird und der Landwirt rundherum mäht. Nach getaner Arbeit wird das Kitz sofort wieder freigelassen. Rehkitz und Mutter finden durch Rufe wieder zueinander. Der Einsatz des Multikopters schont den Wiesenbestand und die menschlichen Kräfte. Dank dieser Methode lassen sich auch andere Wildtiere wie Feldhasen, bodenbrütende Vögel oder Hauskatzen entdecken und schützen.
Rehkitzrettung übertrifft Erwartungen in Appenzell Innerrhoden
Ende Mai startet in Appenzell Innerrhoden die Heuernte. Um die Rehkitze vor dem Mähtod zu bewahren, wurden auch dieses Jahr wieder Rettungseinsätze mit Drohnen geflogen. Dabei konnten 115
Rehkitze gerettet werden - so viele wie noch nie.
Rehkitzrettung zahlt sich aus
Die Vermeidung von Tierleid steht klar im Vordergrund der Schutzmassnahmen zugunsten von Rehkitzen; an zweiter Stelle aber auch die Prävention von Vergiftungsfällen beim Vieh, welches das
Erntegut frisst. IP-Suisse vergibt an Landwirte, die sich selber für die Rehkitzrettung einsetzen, 0,5 Punkte im Programm für Biodiversität. JagdkandidatInnen, die sich an der Rehkitzsuche
beteiligen, können diesen Aufwand i.A. als Hegeleistung anerkennen lassen.


Appenzell Ausserrhoden
Der Patentjägerverein organisiert die Rehkitzrettung mit Drohnen in Appenzell Ausserrhoden. Landwirte, welche exponierte Wiesen vor dem Schnitt auf Rehkitze absuchen lassen möchten, melden sich beim jeweiligen Einsatzleiter. Die Einsatzleitung erfolgt aufgeteilt nach Gemeinden durch mehrere Personen. Damit sich die Beteiligten optimal auf die Einsätze vorbereiten können werden die Landwirtinnen und Landwirte gebeten, ihren Bedarf möglichst zeitig zu melden. So können die Einsätze nach Region und Verfügbarkeit gut eingeteilt werden.
Abteilung Natur und Wildtiere T: 0 71 353 67 71
Appenzell Innerrhoden
Landwirtinnen und Landwirte haben alljährlich in den Monaten Mai und Juni die Möglichkeit, ihre Wiesen vor dem Mähen auf Rehkitze absuchen zu lassen. Diese Rettungsaktion wird vom Kanton Appenzell I.Rh. zusammen mit dem Patentjägerverein Appenzell I.Rh. organisiert und durchgeführt. Damit sich die Beteiligten optimal auf die Einsätze vorbereiten können werden die Landwirtinnen und Landwirte gebeten, ihren Bedarf möglichst zeitig zu melden. So können die Einsätze nach Region und Verfügbarkeit gut eingeteilt werden.
Rehkitz-Zentrale: 077 536 75 36
TIPP AN LANDWIRTE
Fundorte von Rehkitzen und/oder Unfälle mit Rehkitzen auf Google-Maps markieren und Bauern und Jäger in der Nachbarschaft zum Mitmachen animieren! Suchen Sie Kontakt mit der lokalen Jagdgesellschaft / Wildhut und tauschen Sie sich mit den JägerInnen über zur Setzzeit beobachtete Rehgeissen und vermähte Rehkitze aus! Vermähte Rehkitze müssen der Wildhut gemeldet werden.