St.Galler Tagblatt
Die beiden Schlangen aus Speicher waren rund vier Meter lange Albino-Tigerpythons. Ihre Haltung: Bedenklich. Sie wiesen Hautverletzungen auf, welche sie sich vermutlich an unverkleideten
Heizkörpern zugezogen hatten und litten unter Atemwegsbeschwerden, da kein passendes Raumklima vorherrschte. Mittlerweile geht es den Tieren aber wieder besser. Sie sind vor einigen Wochen in
München in der Reptilien-Auffangstation untergebracht worden. Fall abgeschlossen. Robert Di Falco, Präsident des Appenzeller Tierschutzvereins, hakt die Geschichte aber nicht so einfach ab. Der
Fall habe ihm verdeutlicht, dass viele Probleme im Zusammenhang mit der Haltung exotischer Tiere nach wie vor nicht gelöst sind und sich in Zukunft noch verschärfen könnten.
Woher die Tigerpythons aus Speicher ursprünglich stammten, ist ungewiss. Der Nachweis fehlte. Bewilligt war die Haltung der Tiere in einem Privathaushalt ebenfalls nicht. Dies schreibt das
Gesetz jedoch ausdrücklich vor. Für exotische Tiere, die bewilligungspflichtig sind, muss der Halter über eine Haltebewilligung des kantonalen Veterinäramtes verfügen. Wie viele Reptilien in
den Haushalten im Appenzellerland tatsächlich untergebracht sind, lässt sich nicht eruieren. Die letzte Liste vom Schweizer Tierschutz STS, welche dem Appenzeller Tierschutzverein vorliegt,
stammt aus dem Jahre 2015: Gemäss dieser gibt es vier exotische Tiere im Ausserrhodischen, fünf in Innerrhoden, 41 in St.Gallen und 87 im Thurgau. Da aber keine Meldepflicht für die meisten
Arten besteht, wird angenommen, dass nur ein Bruchteil der tatsächlichen Populationen in den Kantonen ausgewiesen sind. Tiere wurden nicht artgerecht gehalten. In Speicher wurde das Veterinäramt
auf die Schlangen aufmerksam, da der Halter sich mit einer Frage zur Haltung an die Behörden gewandt hatte. Die beiden Schlangen wurden enteignet. Doch wohin mit ihnen? «Pythons sind keine
Katzen, für welche man eher neue Halter findet», so Di Falco. Geeignete Plätze sind knapp. Eine Auffangstation für solch grosse Reptilien gibt es in der Schweiz lediglich in der Westschweiz.
Diese hatte jedoch keine Kapazität; eine Vergrösserung ist erst in Planung. Darum blieben die Schlangen beim Halter in Speicher. Bis sich schliesslich München bereit erklärte, sie aufzunehmen.
Der Transport wurde über den Tierrettungsdienst aus Erstfeld organisiert, der einen Pferdeanhänger mit Heizung, Kameras und Transportbox ausstaffierte. Orlando Schrofer überwachte den Verlad.
Er ist Besitzer und Tierpfleger im Privatzoo Wannenwis in Waldkirch.
Gesetzliche Bestimmungen seien nicht ausreichend
Das Beispiel in Speicher ist kein Einzelfall, wenn auch, aufgrund der Grösse der Tiere, ein seltenes Beispiel. «Die gesetzlichen Bestimmungen zur Haltung von exotischen Tieren sind nicht
ausreichend», so Di Falco. Konkrete Forderungen stellt der Dachverband der Sektion Appenzell, der Schweizer Tierschutz STS. Die Forderungen nach einer Verschärfung der gesetzlichen Vorschriften
samt Einführung eines Meldeverzeichnisses auch für nicht bedrohte Exoten und die Einführung eines obligaten Sachkundenachweises bestehen schon länger. Auch Zoohandel und Aussteller sollen
gemäss STS stärker in die Pflicht genommen werden. Passiert ist bislang aber nichts. Für Reptilien wie Geckos, kleinere Schlangen und Echsen gibt es Auffangstationen wie diejenige in Herisau.
Eine Auffangstation für grössere Exoten ist erst in Planung. Der Privatzoo und Erlebnisbauernhof Wannenwis möchte künftig weitere Plätze anbieten können.
Die Schlangen werden nach München transportiert. Robert Di Falco, Präsident Appenzeller Tierschutzverein, Marcel Henzen,
Tierrettung Schweiz, Orlando Schrofer, Besitzer und Tierpfleger im Privatzoo Wannenwis in Waldkirch, mit Lehrtochter Amaka.
Kleinere Tiere werden oftmals ausgesetzt
Nicht alle exotischen Tiere landen in Auffangstationen. «Die Tiere werden schon mal ausgesetzt oder entkommen ihren Terrarien unbeaufsichtigt. Schildkröten zum Beispiel. Die Auswirkungen auf die
heimische Fauna kann nicht beurteilt werden», so Di Falco. Der Präsident des Appenzeller Tierschutzvereins schätzt, dass die Dunkelziffer an Abgängen gross ist. Und sie könnte weiter steigen. Mit
den aktuell hohen Energiepreisen ist die Haltung eines Terrariums zur existenziellen Kostenfrage geworden. Darum: «Wir rechnen damit, dass in den kommenden Monaten und Jahren die Plätze in den
Auffangstationen stark ausgelastet beziehungsweise die Einrichtungen überlastet sein werden.» Besonders in den Zeiten des Lockdowns sei der Handel mit Tieren rege gewesen. Danach landeten viele
Tiere in Tierheimen, die jetzt Kapazitätsengpässe beklagen. Unerfahrene Halter werden gemäss Auffassung des Tierschutzvereins bald mit den Exoten überfordert sein und sie wieder abgeben wollen.